Dieses Anliegen steht im engen Zusammenhang mit den Hirschfeld Tagen, die im April/Mai 2014 in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurden. Schwerpunkt der Veranstaltungsreihe war die Sichtbarmachung und Aufarbeitung der gesellschaftlichen und politischen Situation von Schwulen, Lesben, Bi-, Trans* und Intersexuellen in NRW von 1945 bis 1969 (Änderung des § 175) bzw. 1994 (ersatzlose Streichung des § 175).
Es geht um
- homosexuelle und bisexuelle Männer, die u. a. durch den § 175 verfolgt und benachteiligt wurden. Welche Auflagen wurden ihnen gemacht (auch über eine strafrechtliche Verfolgung hinaus), wie wurden sie behandelt? Wurden sie Opfer von Psychiatrie, Konversionstherapien, geschlossenen Anstalten oder ähnlichem? (Gerichtsurteile, die in der Zeit des Nationalsozialismus gefällt wurden, sind zwar bereits aufgehoben, aber in ihrem Fortwirken in der Nachkriegszeit weder hinreichend analysiert noch ausgewertet. Die Rehabilitierung und Wiedergutmachung der homosexuellen Männer, die (auch) nach 1945 durch die Beibehaltung des § 175 im Strafrecht der Bundesrepublik verurteilt wurden oder Benachteiligungen erfahren haben, steht noch völlig aus.)
- homosexuelle und bisexuelle Frauen, die sich der gängigen Frauenrolle (Ehefrau, Mutter, Hausfrau) verweigerten oder notgedrungen anpassten. Gerieten sie wegen ihrer sexuellen Orientierung auch ohne expliziten Strafrechtsparagraphen in die Mühlen der Justiz? Welche Erfahrungen machten sie z. B. mit Jugendfürsorge, Sorgerechtsklagen, Schuldfragen bei Scheidungen, Psychiatrie, Konversionstherapien oder anderen Erziehungsmaßnahmen?
- trans* und intersexuelle Menschen, denen eine selbstbestimmte Identität und somit freie Entfaltung der Persönlichkeit aufgrund der vorherrschenden Geschlechterideologie unmöglich gemacht wurde. Gerieten sie in polizeiliche Ermittlungen? Wurden ihnen Kleidungsvorschriften gemacht? Wurden sie gezwungen, ihr Geschlecht zu vereindeutigen? Wurden sie Opfer klinischer Experimente oder ähnliches?